Hanoi – again

Die kurze Nacht im Zug, die wider Erwarten doch noch sehr kühl wurde, endete prompt um 5h30 und so hatten wir die Chance, Hanoi beim Aufstehen zuzusehen. Wir wanderten durch die noch menschenleeren Strassen (was für mich eigentlich eine große Verwunderung war in Anbetracht der wuseligen Emsigkeit am Tag und in der Nacht) und es ging sogar sehr zügig voran. Keine Straßenküchen, keine Mopeds, keine Autos…grandios. Dazu ein wenig frische Luft und die ersten Sonnenstrahlen. Sehr gut. Auf dem Weg ins Hostel begegneten wir fast keiner Menschenseele und so hatten wir nicht gleich mit dem krassen Übergang von Berg zu Stadt zu kämpfen.

Im Hostel angekommen wurde kurz der Plan für den Tag abgemacht und dann endlich die wohlverdiente Dusche hinter uns gebracht. Ein kurzes Nickerchen zur Stärkung der Kräfte endete so gegen 9h30 und wir machten uns auf den Weg zu Ho Chi Minh. Ja, wir hatten im Reiseführer gelesen, dass er heute Vormittag Gäste empfängt und so wollten wir ihm einen Besuch abstatten. Der Gute liegt schon seit geraumer Zeit im genauso prunkvollen wie hässlichen Mausoleum in Hanoi und man munkelt darüber, dass Madame Tussaud’s die Aufgabe übernommen hat, die Pflege des Herrn zu übernehmen.

Nachdem wir unsere Rucksäcke, Kameras und Wasserflaschen abgegeben hatten, zogen wir unsere langen Hosen und langärmligen Oberteile an. Denn Respekt muss schon sein. So reihten wir uns dann in die lange Schlange der treuen Fans von Ho Chi Minh ein und wanderten im Schutz einer endlos scheinenden Überdachung bis hin zum klobig wirkenden Mausoleum. Aufpasser in feinen weißen Uniformen bedeuteten den Menschen mit Kopfbedeckung, diese bitte abzunehmen und zeigten den allzu laut schwatzenden Besuchern mit einem Finger auf den Lippen an, bitte auch die Stille nicht zu stören, die schon seit ein paar Jahren im Mausoleum zu herrschen scheint.

So fädelten wir uns in die Schlange der treuen Fans ein und wanderten ganz langsam einmal im Halbkreis um den großen Mann herum. Er lag fast vollkommen im Dunkeln und nur von 3 Lampen schwach beleuchtet. Man konnte sein Gesicht erkennen, das ganz sanft zu schlummern schien. Seine Hände waren in seinem Schoss überkreuzt und ruhten auf der schwarzen Kleidung, die ihn von Kopf bis Fuß bedeckte. Sein graues Haar war kurz geschnitten und auch die Fingernägel schienen geschnitten worden zu sein. Nein, mal im Ernst: es war schon ein ziemlich erhabener Anblick, dort einen so großartigen Mann liegen zu sehen. Ich kann mir schon gut vorstellen, warum die Vietnamesen ihn so verehren und er immer noch bekannter ist als der jetzige Regierungschef. Viele verbeugten sich, allerdings ließen auch hier die Aufpasser in weißer Uniform niemanden zur Ruhe kommen denn man wurde ständig ermahnt, weiter zu gehen. Damit auch niemand auf die Idee kam, Herrn Minh mitzunehmen, standen an jeder Ecke seines Glaskastens je ein Soldat ganz still und stumm.

Der Besuch bei Herrn Minh dauerte so ungefähr 3 Minuten und dann hatten uns Hitze und Sonne wieder. Wir schauten uns noch die sich auf dem Gelände befindende einbeinige Pagode an (so ähnlich wie das Haus der Hexe Babajaga…nur eben ein Tempel auf einer Säule stehend). Das war nicht ganz so spektakulär wie in den farbenfrohen Reiseführern, die anscheinend steinaltes Fotomaterial genutzt hatten.

So machten wir uns dann auf, etwas für unsere Bildung zu tun: der Tempel der Literatur stand als nächstes auf dem Plan. Nachdem Vorzeigen des Studentenausweises (nicht meiner!) und dem daraufhin gegönnten Rabatt von 0,12EUR, betraten wir dann die Oase der Stille inmitten des sonst herrschenden Hupkonzerts der Großstadt. Eine sehr schön gestaltete Anlage, die vom Herrn Konfuzius höchst persönlich gegründet worden sein soll. Mehrere Höfe mit Teichen, alten Bäumen und kleinen Plätzen boten ausreichend Raum zur Erholung und zum Verweilen. Wir erkundeten alte Stelen, sahen uns alte Kaiserfiguren an, durchstöberten Souvenirshops und betrachteten Musikinstrumente monumentalen Ausmaßes. Eine Trommel so groß wie ein Eisenbahnwagen und eine Glocke, mit der man locker bis in den Mariannengraben hätte tauchen können. Was wir leider nicht fanden waren die ganzen Bücher, die wir uns als Hauptaugenmerk des Tempels der Literatur vorgestellt hatten. Anscheinend wurde früher (also in der Zeit vor google) noch viel Wert aufs Auswendiglernen gelegt und Wissen wurde quasi per Mundpropaganda weitergegeben. Vielleicht waren aber auch die Schriften im Laufe der Jahrhunderte einfach mehr oder weniger abhanden gekommen. Wer weiß das schon so genau?

Nach ca. 2,5h im Tempel der Weisheit schaltete sich allerdings unser Urinstinkt wieder ein und es gierte uns nach Flüssigkeit. Auf der Suche nach einem hübschen Café, wurden wir leider wieder bitter enttäuscht und liefen so in der größten Mittagshitze auf der Suche nach einem kühlen Getränk wieder einmal durch das französische Viertel und landeten schließlich im Naherholungsgebiet der Hanoianer, am Hoan Kiem See. Im Schatten der Bäume beschlossen wir, einen wohlverdienten Mittagsschlaf zu halten. Gesagt, getan.

Am späten Nachmittag spürten wir ein kleines Hüngerchen und machten uns auf zum leichten Abendessen. Erhöht auf einem Balkon sitzend genossen wir Curry und Cola (nee, nicht Curry-Wurst, sondern echtes Chicken-Curry!) und den Ausblick auf das Treiben auf der Strasse. (Nebenbemerkung für treue Leser: Wir saßen in der Farbstrasse).

Anschließend sahen wir uns noch das weltberühmte und preisgekrönte Wasserpuppentheater an. Das Wasserpuppentheater besteht aus einem künstlichen Teich an der Stelle, wo in normalen Theatern die Bühne ist (und natürlich etlichen Sitzplätzen für die Besucher). Links davon sitzen 8 Menschen und spielen und singen die melodische Untermalung für das Stück. In dem Teich tauchen im Verlauf der erzählten Geschichte verschiedene Holzfiguren auf, die sich, an langen Stangen befestigt und von sehr armstarken Gesellen hinter der Bühne geführt, im Takt der Musik bewegen und wunderbare Bewegungen vollführen. Da gab es Drachen und Schildkröten (Ja, auch hier wurde die Legende des Hoan Kiem Sees nacherzählt), Männer und Frauen, Boote und Fahnen, Froesche und Fische. Ein sehr farbenfrohes Theater mit kunstvoll gestalteten Figuren. Ein wunderbarer Ausklang des langen Tages in Hanoi und das Wasser sollte schon einen Ausblick auf den morgigen Tag geben: Wir würden in die Halong Bucht fahren und dort Kapitän einer Dschunke werden.

5 Gedanken zu „Hanoi – again

  1. vati

    immer ist Vect schneller mit seinem Kommentar!
    Aber dafür nicht immer allgemeinverständlich, hehe.
    Wieder ein Lob für den kreativen Reiseberichter und Fotograf!

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    1. Robert

      Danke fuer die Lorbeeren…leider komme ich nicht immer dazu alles relativ zeitnah zu berichten. Hoffentlich haelt die Motivation noch ein wenig an, um ueber den bereits einen Monat zurueckliegenden Urlaub zu berichten…
      Vect ist uebrigens gerade dabei, ein Kamelrennen zu bestreiten und macht Urlaub in den Vereinigen Arabischen Emiraten…

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